Kunststoff Tiefziehen ist ein komplexer Prozess mit vielen Einflussvariablen, einschließlich Materialqualität, Temperatur, Druck, Geschwindigkeit und Werkzeuggeometrie. Durch Beachtung dieser Regeln lassen sich Fehler im CAD-Design und im Endprodukt vermeiden. formary hat die wichtigsten Konstruktionstipps zusammengefasst.
Sarah Guaglianone
27. Mai 2024
Bei der Gestaltung von Kunststoffteilen ist es wichtig, immer möglichst großen Radien einzubauen, um das Streckverhalten zu begünstigen. Tiefziehteile sollte man immer mit einem Mindestradius von 1,5mm fertigen. Auf der Werkzeugseite ist man auf einen Mindestradius angewiesen, der als sehr grobe Faustregel (da abhängig von vielen Parametern) die Dicke der Ausgangsstärke des Materials nicht unterschreiten sollte.
Wenn scharfe Kanten nötig sind, dann setzen Sie bei der Konstruktion der Kunststoffteile mindestens einen Radius an, der so groß wie die Ausgangsstärke des Materials ist. Wird der Radius kleiner gesetzt, lassen sich die Daten entweder nicht, oder nur sehr umständlich tiefziehen. Außerdem erhöhen sich die Kosten durch längere Werkzeugfräszeiten.
Den Winkel zwischen der vertikalen Bauteilwand und der Entformrichtung bezeichnet man als Entformungsschräge. Da die Wahl der Entformungsschrägen die Geometrie des Tiefziehteils verändert, müssen die Winkel der Entformungsschrägen frühzeitig festgelegt und in die Konstruktionsdaten eingearbeitet werden.
Designen Sie die vertikalen Wände des Teils möglichst mit Wandschrägen, um eine einfache Entformung ohne optische Makel, wie Markierungen an der Oberfläche zu erreichen.
Das Umformverhältnis gibt die Relation zwischen Höhe und Breite der zu formenden Fläche wieder. Da das Material auf der begrenzten Fläche in die Tiefe verstreckt wird, dehnt sich dieses beim Umformen aus. Das Umformverhältnis ist hierbei abhängig von der Geometrie des Tiefziehwerkzeugs bzw. des resultierenden Tiefziehteils.
Die sich daraus resultierende Wanddicke lässt sich durch die folgende Formel überschlagen: d2 = F1/F2 * d1
ℹ️ Mehr zu den Eck- und Kantenradien, Wandschrägen und Umformverhältnissen finden Sie unter Toleranzen.
Je weiter bzw. tiefer das Material beim Thermoformen ins Werkzeug verstreckt wird, desto dünner wird die zurückbleibende Wandstärke. Üblicherweise wird die zu erzielende Wanddicke bestimmt, und dann zurückgerechnet (siehe Punkt 3), wie hoch die Ausgangsstärke des Materials sein muss (sogenanntes “reverse engineering.”)
Das Streck- oder Ziehverhältnis beim Tiefziehen beschreibt das Längenverhältnis des Materials im Seitprofil (der Ausgangsstärke) und dem tiefgezogenen Tiefziehteil. Grundsätzlich gilt: Positiv geformte Teile führen bei gleicher Kontur zu einem kleineren und daher vorteilhafteren Streckverhältnis als negativ gezogene Teile.
Durch das viskoelastische Verhalten von Thermoplasten während der Verstreckung gilt es einige Faustregeln beim Formvorgang zu beachten, wenn Sie Kunststoffteile konstruieren:
Bei negativ geformten Teilen liegt die Schwachstelle des Tiefziehteils nach Formung daher im Bodenbereich, da Material vom Rand in den Boden der Werkzeugkavität verstreckt wird. Dabei dünnt das Material aus.
Bei positiv geformten Teilen liegt die Schwachstelle des Tiefziehteils am Rand, da das Material zuerst am Bodenbereich des späteren Tiefziehteils auf das Positivwerkzeug aufsetzt, und den Randbereich nach unten ausdünnt. Zu dünn gewählte Ausgangsstärken und ein schlechtes Umformverhältnis, das heißt die Relation von Öffnungsbreite zu Öffnungstiefe, verschärfen den negativen Effekt zusätzlich.
Aufgrund der Materialverstreckung sollte vor allem bei negativ gezogenen Nestern darauf geachtet werden, dass die Relation von Tiefe zu Breite der Kavität das Verhältnis 1,5 : 1 nicht überschreitet. Je tiefer die Tiefe T der Kavität in Relation zur Breite B, desto mehr dünnt das Material bei Verstreckung aus. Und je größer die Ausdünnung, desto höher die Chancen eines Aufrisses an der Bodenkante.
Die Tabelle erklärt die Möglichkeiten verschiedener Ziehverhältnisse bei negativen und positiven Formen:
Ziehverhältnis (Tiefe zu Breite) | positiv | negativ |
---|---|---|
0,3:1 | möglich | möglich |
0,5:1 | möglich | + Oberstempel |
1:1 | möglich | + Oberstempel |
1,5:1 | Materialverzug an der Grenze | Materialverzug an der Grenze |
2:1 | Lässt sich nicht simulieren. Muss getestet werden. | Lässt sich nicht simulieren. Muss getestet werden. |
Wie schon angemerkt: Beim Thermoforming gilt es in der Konstruktion mit Kunststoffen, kleine Radien zu umgehen. Gerade bei passformgenauen Bauteilkavitäten lassen sich Nester unter Einhaltung der vollen Funktionalität in abgeschwächten Konturen deutlich besser tiefziehbar gestalten.
In Abbildung 1 ist eine schlecht tiefziehbare Kavitätenkontur dargestellt, in Abbildung 2 eine entschärfte Kontur, welche sich gut formen lässt. Durch die Entschärfung der Entformungsschrägen und Radien lässt sich das Tiefziehteil besser ziehen, was die Qualität erhöht. Außerdem wird das Risiko von Aufrissen dadurch minimiert, sowie höhere Reproduzierbarkeiten garantiert.
Schlussendlich sind auch die Taktzeiten kürzer, was in einem allgemein erfreulichen, günstigeren Stückpreis mündet. Auch Übergänge von Randkonturen oder Stufenbereichen können durch Schrägen entschärft werden.
Bei zu kleinen Radien besteht gerade beim positiven Formen immer die Gefahr der Faltenbildung beim Tiefziehen. Um Falten zu umgehen, können auch bei der Kunststoff Konstruktion rippenförmige Übergänge angesetzt werden, um eine Falte beim Positiv-Tiefziehen zumindest gezielt zu formen.
Hinterschnittkonturen stellen Geometrien im Werkzeug dar, die das Teil an einer sanften Trennung vom Werkzeug hindern. Da beim Thermoformen das Werkzeug, anders als beim Spritzguss, nicht aus zwei Hälften besteht, lassen sich Hinterschnitte grundsätzlich schwieriger entformen. Da die Hinterschnitt-Geometrien das Entformen verkomplizieren, gilt es diese bei der Konstruktion möglichst zu umgehen.
Das ist einfacher gesagt als getan: Hinterschnitte spielen bei vielen Tiefziehteilen eine tragende Rolle, da sie in Form von Stapel-Elementen und Klemmungen zum Einsatz kommen. Daher kann oft nicht auf Hinterschnitt-Konturen verzichtet werden. Aus diesem Grund gilt es beim Konstruieren von Kunststoffteilen, diese auf ein tiefziehbares Niveau zu reduzieren.
Denken Sie daran, dass die Verarbeitungsschwindung eines Kunststoff Tiefziehteils ein wichtiger Faktor ist, der die Endgröße und Form beeinflusst. Nach der Entformung schrumpft das Teil aufgrund des Materialverhaltens noch weiter. Diese Schwindung variiert je nach Material und kann auch nach dem Abkühlen des Teils noch bis zu 24 Stunden anhalten. Insbesondere bei teilkristallinen Thermoplasten hört die Nachschwindung nie auf und das Teil kann sich mit der Zeit weiter verkleinern.
Um dies zu berücksichtigen, sollte die Konstruktion des Tiefziehwerkzeugs die Schwindung im Voraus berechnen und einplanen und die Größe und Geometrien des Werkzeug entsprechend gestalten.
Wichtige Faktoren, die die Schwindung beeinflussen, sind der gewählte Kunststoff und die Entformtemperatur, die der Verarbeiter kontrollieren kann. Beachten Sie jedoch, dass auch die Extrusion des Materials eine Rolle spielt und interne Spannungen im Halbzeug berücksichtigt werden müssen, wenn Sie Kunststoffteile konstruieren. Vor Produktionsbeginn sollte daher eine Musterprüfung durchgeführt werden, um potenzielle Probleme wie Schrumpfung frühzeitig zu erkennen.
Tiefziehteile werden für einen Großteil der industriellen und Verpackungs-Anwendungen mit einer Toleranz von +/- ~1 mm konstruiert. Das entspricht dem Toleranzfeld nach ISO 2768-c für das in diesem Produktbereich gängige 120 bis 400mm Längenmaß.
Das Formen von engeren Toleranzen ist meistens mit zusätzlichen Kosten verbunden. Diese sind auf längere Entformzeiten, größere Fertigungsaufwände und/oder längere Taktzeiten zurückzuführen.
Um verschiedene Tiefziehteile oder Baugruppen zusammenzusetzen, sind Befestigungspunkte nötig. Beim sicheren Verschluss von Tiefziehteilen kommen viele Optionen der Verbindungstechnik zum Einsatz. Diese müssen von Anfang an für das kunststoffgerechte Konstruieren wohl überlegt werden. Abhängig von der mechanischen Belastung, der Häufigkeit des Öffnens und Verschließens und der Verbindungsstabilität, stehen verschiedene Möglichkeiten zur Erreichung eines Kraftschlusses zur Verfügung.
Bei permanent kraftschlüssigen Verbindungen werden an den Übergangsstellen zwischen zwei Teilen häufig Schrauben oder Nieten an die Tiefziehteile angebracht, um eine Verbindung zu erzielen.
Wenn Ihr Tiefziehteil gestapelt werden soll, muss das schon frühzeitig in der Konstruktion beachtet werden, sodass für die Stapelung Platz gelassen wird. Bei der Selektion der passenden Stapeltechnik entscheiden verschiedene Punkte:
Die Wahl der Stapelung eines Tiefziehteils hängt in erster Linie von der Steifigkeit des Tiefziehteils und den Gleiteigenschaften des Materials ab. Je dicker das Material (oft bei Mehrwegtrays der Fall), desto besser lässt sich stapeln. Je schlechter die Gleiteigenschaften des Materials, desto besser die Haftreibung, und desto besser lässt sich dadurch stapeln.
Wenn nicht über die Bauteile gestapelt werden darf (oder soll), sondern einige mm Luft eingehalten werden, wird eine hochwertigere Stapeltechnik benötigt. Der Grund ist, dass die Stapelung des Tiefziehteils selbsttragend ist, d.h. das Gewicht der Trays und des Inhalts ohne zusätzliche Abstützungen auf der Trayfläche tragen muss.
Komplexe Stapeltechniken mit beweglichen Stapelelementen setzen die Fertigung aus einem Klappenwerkzeug voraus. Die Herstellung eines solchen Werkzeugs ist zeitintensiver als ein relativ einfach gehaltenes Hinterschnittstapelungs-Werkzeug.
Weichere Kunststoffe haben nach der Entformung größere Rückverformungen und höhere Verarbeitungsschwindungen. Materialien mit hoher Härte und Steifigkeit sind automatisch in einer besseren Toleranzgruppe in puncto Genauigkeit.
Sollten Sie Kennzeichnungen im Tiefziehteil benötigen, können Sie diese gerne direkt mit einer Gravur in das Werkzeug einbringen. Die Kosten der Gravur können sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wie diese eingebracht werden muss. Als Faustregel gilt: Eine negativ (versenkt) eingebrachte Gravur ist relativ kostengünstig, eine positiv eingebrachte (erhabene) Gravur deutlich aufwendiger, und daher teurer.
Durch das Beachten dieser Design-Grundregeln können potenzielle Fehlerquellen im Endprodukt schon beim Erstellen der CAD-Daten mit einbezogen und proaktiv umgangen werden. So können Sie mit Ihrem Produkt direkt in das Prototyping gehen.
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