Tiefziehteile in der Praxis

Thermoformen und 3D-Druck - Vorteile, Nachteile, Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Kunststoffteile werden in unterschiedlichen Verarbeitungsverfahren hergestellt. In diesem Beitrag fokussieren wir uns auf den Vergleich der Verfahren Kunststoff Thermoformen und den 3D-Druck.


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Amin Lakhal

19. Dezember 2023

8 Minuten
Blogbanner Thermoformen vs 3D-Druck
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Sowohl der 3D-Druck als auch das Thermoforming haben unterschiedliche Anwendungen, Vorteile und Herausforderungen. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen genaueren Blick auf die beiden Kunststoffverarbeitungsverfahren, um die Entscheidung für Ihren Anwendungsfall zu unterstützen. 

Wie funktioniert Thermoformen? 

Beim Thermoformen oder auch Kunststoff Tiefziehen werden thermoplastische Kunststoffe durch Erhitzen mithilfe von Tiefziehmaschinen umgeformt. Nach dem Abkühlen erfolgt das Zuschneiden in die gewünschte Form durch Stanzen oder Fräsen. Zudem bietet das Tiefziehverfahren den Vorteil, dass auch große Teile in verschiedensten Formen tiefgezogen werden können.

Das Thermoform-Verfahren

So läuft der Prozess beim Tiefziehen von Kunststoffen ab:

Kunststoffumformen auf einem Negativ-Werkzeug
Thermoformen auf einem Negativ-Werkzeug
  1. Aufheizen: Während des Erhitzungsvorgangs wird der Thermoplast auf die sogenannte Umformtemperatur erhitzt. In diesem Stadium zeigt der Kunststoff gummi-elastisches Verhalten.
  2. Formgebung: Während des Formprozesses wird das Halbzeug in die gewünschte Form gestreckt. Dabei wird das Material in einen Rahmen eingespannt und auf das Werkzeug positioniert. Der gesamte Vorgang dauert in der Regel nur wenige Sekunden.
  3. Abkühlung: Nachdem das Halbzeug auf das Werkzeug aufgetroffen ist, beginnt der Abkühlprozess. Dabei erfolgt die Abkühlung durch den Kontakt der werkzeugseitigen Materialoberfläche mit der Aluminiumoberfläche.
  4. Trennung: Nachdem das Tiefziehteil abgekühlt ist, ist der nächste Schritt das Entformen. Verschiedene Trennverfahren, die in Stanzen und Fräsen unterteilt werden können, werden angewendet, um die Materialreste zu entfernen.

 

Wie funktioniert 3D-Druck? 

3D-Druck ist ein vielseitiges Kunststoffverarbeitungsverfahren, welches sich wiederum in mehrere Druckverfahren unterteilen lässt. Drei wichtige sind hier:

SLS - Selektives Lasersintern

Ein Laser verschmilzt punktuell Kunststoffpulverpartikel. So entsteht schichtweise ein dreidimensionales Bauteil. Ein Vorteil hierbei ist dass das Restpulver weiterverwendet werden kann.

SLA - Stereolithografie

Hier wird ein Laser eingesetzt, und härtet das Teil aus flüssigem Harz, dieses Verfahren bietet höchste Genauigkeit jedoch eingeschränkte Materialauswahl.

FDM - Fused Deposition Modeling

Das hierfür benötigte Druckmaterial wird im Drucker erhitzt und Schicht für Schicht wird das Objekt entlang des Pfades aufgebaut. Ist der Druck abgeschlossen, müssen, falls vorhanden, Supportstrukturen oder Stützmaterialien vom Objekt entfernt werden.

Untenstehend eine vereinfachte Darstellung der FMD Methode:

3D Druck - Vorbereitung Druckbett
3D-Druck Materialvorbereitung
3D-Druck Material Aufheizen
Aufheizen des 3D-Druckers
3D Druck auftragen der Schichten
Auftragen der Schichten
3D Druck Auskühlen und härten
Abkühlen und Aushärten
  1. Materialvorbereitung: Der 3D-Drucker wird mit dem entsprechenden Kunststoffmaterial bestückt. Die Druckparameter, wie Drucktemperatur und Geschwindigkeit, werden entsprechend den Anforderungen des Materials eingestellt. Das Druckbett wird vorbereitet und falls nötig mit speziellen Haftmitteln behandelt, um eine gute Haftung des Materials während des Druckvorgangs zu gewährleisten.
  2. Aufheizen des 3D-Druckers: Der 3D-Drucker wird auf die erforderliche Temperatur aufgeheizt, um das Material in einen flüssigen oder zumindest gut verformbaren Zustand zu bringen.
  3. Auftragen der Schichten: Der 3D-Drucker setzt den Aufbau des Objekts schichtweise fort, indem er jede Schicht über der vorherigen platziert oder verfestigt. Dieser schichtweise Aufbau erfolgt, bis das gesamte Objekt gedruckt ist.
  4. Abkühlen und Aushärten: Nach dem Druckvorgang wird das gedruckte Objekt abgekühlt und gehärtet, um seine endgültige Festigkeit zu erreichen. Bei Bedarf können nach dem Druckvorgang Nachbearbeitungsschritte durchgeführt werden, wie das Entfernen von Stützstrukturen oder das Glätten von Oberflächen.

 

Die Unterschiede zwischen Thermoforming und 3D-Druck

Die auffälligsten Unterschiede zwischen Thermoforming und 3D-Druck werden in dieser Gegenüberstellung der beiden Verfahren verdeutlicht:

Tabelle Unterschied Thermoformen und 3D-Druck
Thermoformen versus 3D-Druck: Direkter Vergleich

Stückzahlen beim 3D-Druck und Tiefziehen

Die gängigen Stückzahlen für den 3D-Druck liegen im Prototypen Bereich, was sich in einem deutlich niedrigeren Mengenbereich bewegt als das Thermoformen. Der 3D-Druck benötigt für die Herstellung von Kunststoffteilen kein Werkzeug. Die Produktion von 3D-Druck Teilen benötigt daher, bei vorrätigem Material, keine Vorlaufzeiten und Lieferzeiten von wenigen Tagen sind machbar.

Das macht das Verfahren besonders für Bemusterungen und Prototyping beliebt. Eine Anwendung für größere Serienproduktionen ist beim 3D Druck jedoch durch die Faktoren der langsameren Fertigungsgeschwindigkeit, schlechten Skalierbarkeit und höheren Materialkostenanteil eingeschränkt.

Im Vergleich dazu können Tiefziehteile in hohen Taktgeschwindigkeiten hergestellt und die Fertigung durch entsprechende Werkzeugauslegungen skaliert werden. Das Verfahren Thermoforming kann daher flexibel auf Stückzahlen von 5 Stück bis Millionen ausgerichtet werden. Voraussetzung hierfür ist das erwähnte Werkzeug, welches im nächsten Absatz behandelt wird.

3D-Druck und Thermoforming Werkzeugkosten

Thermoform-Werkzeuge kosten je nach Ausführung, Material, Nutzenanzahl, Größe und Aufbau zwischen 500 € und 10.000 €, können aber bei Großteilen oder Mehrnutzen-Werkzeugen auch deutlich darüber liegen. Beim 3D-Druck belaufen sich die Kosten im Normalfall bei 0 €, da kein Werkzeug notwendig ist.

Herstellungsdauer bei Tiefziehwerkzeugen

Additive Verfahren (3D-Druck) können nach Erstellung und Freigabe des Designs quasi über Nacht die fertigen Teile erstellen. Das ist beim Thermoforming in dieser Form nicht möglich.

Werkzeuge im Thermoforming können im günstigsten Fall jedoch schon in 1-2 Wochen beim Werkzeugbauer gefräst werden. Im Normalfall werden für die Herstellung bis zur Bemusterung mehrere Wochen angesetzt. Dies beeinflusst maßgeblich die Lieferzeiten von Erstserien im Tiefziehen.

Toleranzen beim Tiefziehen und 3D-Druck

Tiefziehkomponenten werden in den meisten industriellen und Verpackungsanwendungen mit einer Toleranz von etwa +/- 1 mm konzipiert. Diese Toleranz entspricht dem Bereich nach ISO 2768-c für das gängige Längenmaß von 120 bis 400 mm in diesem Produktsegment

Tiefzieh Guide
Thermoform Guide

 

Beim 3D-Druck schwanken die Toleranzen je nach Druckprozess von ±0,2 % bei SLA & ±0,5 % bei FDM.

Mehr Infos über Thermoforming Stückzahlen, Lieferzeiten und Co. finden Sie im Design-Guide. Wenn Sie wissen wollen, wie sich noch weitere Kunststoffverarbeitungsverfahren zum Kunststoff Tiefziehen unterscheiden, dann lesen Sie unseren Blogbeitrag “Spritzguss vs. Thermoformen.”

Möglichkeiten und Limitationen beim Thermoformen

Thermoformen erweist sich als äußerst kosteneffiziente Option, selbst bei der Herstellung großer Stückzahlen. Das liegt an einer Reihe von Vorteilen beim Tiefziehen von Kunststoff, darunter eine schnelle und kostengünstige Produktion, niedrige Werkzeugkosten im Vergleich zu Verfahren wie Spritzguss und eine hohe Materialeffizienz.

Weitere Vorteile sind die Flexibilität bei der Gestaltung von Formen und die Möglichkeit, komplexe Geometrien präzise zu reproduzieren. Auch die große Auswahl an Materialien, Additiven und Oberflächenbeschaffenheiten der Halbzeuge machen Thermoformen zu einer äußerst attraktiven Lösung in verschiedenen Industriezweigen.

Der Nachteil liegt - je nach Seriengröße - in der notwendigen Investition in ein Werkzeug.

Übersicht der Vorteile und Nachteile beim Thermoformen

Vorteile beim ThermoformenNachteile beim Thermoformen
Niedrige Investitionskosten für WerkzeugeWerkzeuganpassungen können teuer werden
Kostengünstige HerstellungPotenzielle Fehlerquellen bei Halbzeug-Herstellung durch eingefrorene Spannungen im Material bei Extrusion
Lohnt sich schon ab geringen StückzahlenKomplexe Formen mit sehr dünnen Wänden sind begrenzt
Optimale Möglichkeiten zur NachbearbeitungPotenzielle Schwierigkeit, gleichmäßige Materialstärken in komplexen Formen zu erreichen
Post-industrial Recycling für einfache Kreisläufe möglichEinseitiger Materialkontakt
Konkurrenzlos bei dünnwandigen TeilenKomplexere Geometrien aus dem 3D-Druck nicht herstellbar
Kurze VorlaufzeitenHalbzeug teurer als beim 3D-Druck
Große MaterialauswahlSchnitt- und Stanzkosten
Alle Größen und Formen möglich (Großteile)Komplexe Geometrien, wie im 3D-Druck nicht herstellbar

Möglichkeiten und Limitationen beim 3D-Druck

3D-Druck bietet einige Vorteile, weist jedoch auch einige Einschränkungen gegenüber dem Thermoformen auf. Der 3D-Druck ermöglicht die Herstellung komplexer, maßgeschneiderter Teile mit hoher Präzision und minimalem Materialverschnitt, bzw. Materialausschuss. Dies führt zu einer Material- und Kostenersparnis bei kleineren Stückzahlen oder Prototypenentwicklung. Zudem entfällt die Notwendigkeit kostenintensiver Formen oder Werkzeuge für die Herstellung, was das initiale Investment reduziert.

3D-Druck ist in der Regel langsamer und weniger kosteneffizient bei der Herstellung großer Stückzahlen. Die begrenzte Materialauswahl und -festigkeit können auch dazu führen, dass 3-D Drucken nicht für alle Anwendungen geeignet ist. Zudem kann aufgrund der Schichtstruktur der Teile eine langwierige Nachbearbeitung nötig sein, welche Zeit und Ressourcen beansprucht. Im Vergleich dazu kann ein Tiefziehteil oft ohne zusätzliche Schleifarbeiten, Polituren oder Lackierarbeiten verwendet werden. Das entsprechende Finish kann direkt mit dem Material oder durch Einbringen eines Abdrucks der gewünschten Oberflächenstruktur im Werkzeug erreicht werden.

Übersicht der Vorteile und Nachteile beim 3D-Druck

Vorteile beim 3D-DruckNachteile beim 3D-Druck
Keine WerkzeugkostenNiedrige Stückzahl
Kurze LieferzeitLangsamer Fertigungsprozess
Komplexe Formen möglichMaterialauswahl begrenzt
Keine langen Rüstzeiten & WerkzeugwechselOberfläche benötigt evtl. Nachbearbeitung
Keine WerkzeuganpassungenBauteilgröße beschränkt
Konstanter Preis pro TeilFertigungsprozess ist fehleranfälliger insb. bei komplexen Bauteilen
Verkürzte Produktionszeit für PrototypenEtwas größere Fertigungstoleranzen
/Niedrige Materialeffizienz → notwendige Stützstrukturen

3D-Druck Anwendungsbereiche

Der 3D-Druck bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, die von der Prototypenentwicklung bis zur Herstellung maßgeschneiderter medizinischer Implantate reichen. Diese Technologie ermöglicht nicht nur kosteneffiziente Lösungen, sondern trägt auch zur Verbesserung der Patientenversorgung und zur wirtschaftlichen Produktion von Kleinserien bei.

Muster/Kleinserien und Prototypen

Der 3D-Druck eignet sich besonders für die kostengünstige Herstellung von Kleinserien, da teure Werkzeuge nicht erforderlich sind. Dies ist besonders vorteilhaft für Unternehmen, die eine flexible und bedarfsgerechte Produktion von Bau- oder Ersatzteilen benötigen. Zudem ist der 3D-Druck ideal für die Herstellung detaillierter Muster und Modelle, insbesondere in Branchen wie Design und Architektur, wo realistische Modelle für die Planung und Visualisierung von großer Bedeutung sind.

Gesundheitswesen

Im Gesundheitswesen ermöglicht der 3D-Druck die Herstellung maßgeschneiderter medizinischer Elemente, die genau auf die individuellen Merkmale eines Patienten zugeschnitten werden können. Dies erhöht die Erfolgschancen von Implantationen und minimiert das Risiko von Komplikationen.

Industrie

Industrie

In verschiedenen Industrien wie zum Beispiel Maschinebau oder Automotive wird 3D-Druck genutzt, um individualisierte Ersatzteile herzustellen. Dies ermöglicht eine effiziente Produktion von Bauteilen, insbesondere für Modelle, bei denen herkömmliche Fertigungsmethoden möglicherweise nicht mehr wirtschaftlich sind.

Tiefziehen Anwendungsbereiche

Das Tiefziehverfahren eröffnet vielseitige Anwendungsmöglichkeiten, angefangen bei Transportverpackungen und Automatisierungstrays über Gehäuse und Abdeckungen bis hin zu Blisterverpackungen.

Automobilindustrie

Im Bereich der Automobilindustrie hat sich das Tiefziehverfahren als bevorzugte Methode für die Herstellung von Automatisierungstrays und Transpor Trays etabliert. Für die sichere Beförderung von Karosserieteilen, elektronischen Bauteilen und anderen Fahrzeugkomponenten ist die Wahl des geeigneten Transportsystems von entscheidender Bedeutung. Dank der hohen Formbarkeit von Kunststoffen ermöglicht das Tiefziehen die Produktion von komplexen und effizienten Bauteilträgern, die Ihren Fertigungsprozess optimal unterstützen. Diese Trägersysteme gewährleisten nicht nur einen sicheren Transport, sondern tragen auch dazu bei, die Effizienz des gesamten Fertigungsprozesses zu unterstützen.

Industrie & Maschinenbau

Das Tiefziehen ermöglicht im Industrie und Maschinenbau eine kostengünstige Herstellung von Gehäusen, Abdeckungen, Bildschirmrahmen und Maschinenteilen, welche in Maschinen verbaut werden. Automatisierungs- und Werkstückträger kommen auf der Maschine, automatisierten Fertigungsstraßen und Industrierobotern zum operativen Einsatz

In der Produktion werden tiefgezogene Kunststoffteile vor allem als Werkstücktrays eingesetzt, welche eine einfache und optimierte Handhabung entlang der Fertigung oder Montagelinie ermöglichen.

Tiefgezogene Kunststoffwannen und Tiefzieh-Behälter werden für Chemikalien und Flüssigkeiten, als Vergussform oder Abdeckungen verwendet. Bei der Reinigung von verschmutzen oder öligen Bauteilen werden Kunststofftrays als Werkstückträger eingesetzt, die die Bauteile sicher durch professionelle Waschstraßen transportieren.

Elektroindustrie

Elektrionikindustrie

Tiefziehteile mit ESD-Schutz schützen filigrane elektronische Bauteile vor elektrostatischer Auf- und Entladung. ESD-Schutzteile können im Transport und der Lagerlogistik als auch in Gehäusen und Verkleidungsteilen eingesetzt werden. ESD-Schutz hat die Aufgabe dem Ladungsaustausch der Ihre Bauteile beschädigt vorzubeugen, dies wird durch einen spezifischen Oberflächenwiderstand und eine richtige Materialauswahl erreicht. Welche Materialien dafür in Frage kommen, finden sie hier.

Thermoformen und 3D Druck - Ein Fazit

Abschließend verdeutlicht die Gegenüberstellung vom Thermoformen und 3D-Druck, dass beide Technologien spezifische Stärken und Schwächen haben, die je nach den Anforderungen eines Projekts oder Produkts berücksichtigt werden sollten. 3D Druck eignet sich vor allem zur Erstellung von kurzfristigen Prototypen und Kleinstmengen. Thermoformen zeigt sich als kosteneffiziente Option für mittlere bis große Stückzahlen. Zudem bietet das Tiefziehen schnelle Produktionskosten, vergleichsweise niedrige Werkzeugkosten und Materialeffizienz, sowie breite Materialanforderungen.

Haben Sie Fragen zum Thermoformen? Gerne stehen wir Ihnen zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns einfach oder abonnieren Sie unseren Newsletter für die neusten Infos aus der Welt der Tiefziehteile!

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